Von der Notwendigkeit, agil zu sein

Am Morgen des 19.01.2020 landet eine Maschine aus China in München – und damit ändert sich quasi alles. Denn das ist der Tag, an dem das Virus nach Deutschland kam. Der Ausbruch von Covid-19 ist ein Ereignis, das unser Leben vollständig auf den Kopf gestellt und uns in den letzten Monaten einiges abverlangt hat. Im Privaten wie auch im Beruf. Wir mussten lernen, unser Zuhause zu lieben, denn die Liste der Dinge, denen wir von einem Tag auf den anderen ein „home“ vorsetzen mussten, war lang. #stayhome.

Wenn wir aber eines aus den letzten Monaten gelernt haben, dann wohl, dass wir uns, wenn es darauf ankommt, wie ein Chamäleon schnell und flexibel anpassen können.

Flexibilität ist eine Teildisziplin von Agilität. Wobei der Teufel im Detail steckt: Wer agil ist, ist auch flexibel. Allerdings ist man nicht gleich agil, nur weil man flexibel bist.

Schlägt man den Begriff Agilität nach, findet man beispielsweise in Gablers Wirtschaftslexikon folgende allgemeingültige Definition:

Agilität ist die Gewandtheit, Wendigkeit oder Beweglichkeit von Organisationen und Personen bzw. in Strukturen und Prozessen. Man reagiert flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse und neue Anforderungen. Man ist, etwa in Bezug auf Veränderungen, nicht nur reaktiv, sondern auch proaktiv.

Agilität bedeutet, die Kontrolle zu übernehmen und selbst zu lenken, anstatt zu warten oder sich an etwas anzupassen.

Ein Schritt zurück

Die Idee des agilen Arbeitens gibt es bereits seit den 50er-Jahren und hat ihren Ursprung in der Systemtheorie von Organisationen. Stellvertretend kann hier auf den amerikanischen Soziologen Talcott Parsons verwiesen werden, der vier Funktionen benannt hat, die jedes System erfüllen sollte, um seine Existenz zu erhalten.

Parsons meint damit die Fähigkeit eines Systems, auf sich verändernde äußere Bedingungen zu reagieren (Adaptation), Ziele zu definieren und zu verfolgen (Goal Attainment), Kohäsion (Zusammenhalt) und Inklusion (Einschluss) herzustellen und abzusichern (Integration) und grundlegende Strukturen und Wertemuster aufrechtzuerhalten (Latency).

Ein Blick auf die Geschichte der Agilität zeigt drei Entwicklungsschritte:

1. Agile Manufacturing

Seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts taucht das Konzept in veränderter Form unter „agile Manufacturing“ wieder auf. Im Fokus stehen die schnelle Produktentwicklung (simultaneous engineering), multi-funktionale Teams und die ständige Optimierung der Produktionsabläufe während des Prozesses, siehe auch Industrie 4.0.

2. Agile Softwareentwicklung

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts findet sich Agilität unter der Überschrift der agilen Softwareentwicklung und verstärkt durch Methoden wie Scrum wieder. Dabei gibt es mit dem sogenannten Manifesto for Agile Software Development eine Art Handlungsorientierung, nach welchen Prinzipien die Entwicklung von Software gestaltet sein sollte, damit sie als agil bezeichnet werden kann und die damit geforderten Vorteile tatsächlich zum Tragen kommen.

3. Die agile Organisation

Aktuelle Trends in der Arbeitswelt wie New Work und Arbeiten 4.0 bringen ganz neue Herausforderungen mit sich, bei denen das 50 Jahre alte Konzept der Agilität eine Comeback feiert und praktischen Nutzen bietet. Neu dabei ist, dass viele Unternehmen das Thema Agilität nicht mehr nur auf einen Teil ihrer Organisation beschränken. Fragen nach der Transformation von Unternehmensbereichen oder gar dem ganzen Unternehmen in Richtung Agilität stehen plötzlich im Mittelpunkt. Ein Prozess, den Corona sicher vorantreiben wird.

Alles eine Frage des richtigen Mindsets?

Für Unternehmen bedeutet Agilität vor allem, dass festgelegte Prozesse und im Detail geplante Projekte jederzeit unterbrochen und an eine neue Situation angepasst werden können. Wie etwa veränderte Kundenwünsche und Marktanforderungen. Sie kann die Time-to-Market verkürzen, die Transparenz im Entwicklungsprozess erhöhen und Chancen und Risiken frühzeitig sichtbar machen. Sie kann aber auch dazu führen, dass althergebrachte Prozesse und Konzepte abgeschafft werden: Hierarchische Organisationsstrukturen werden aufgebrochen und statt der bisher gebräuchlichen Silostruktur, in der die jeweiligen Mitarbeiter mehr oder weniger nur ihre eigene Abteilung kennen, wird die Arbeit in ständig wechselnden Teams bevorzugt. Dementsprechend fordert Agilität andere Einstellungen, Glaubenssätze und Verhaltensweisen. Generelle Grundhaltung beim agilen Arbeiten: Be open-minded.

Corona-bedingte Beispiele für agiles Verhalten von Unternehmen gibt es so einige: Firmen, die statt Unterwäsche plötzlich Maske nähen, Silikonschläuche, die nicht in der Autoindustrie, sondern in der Medizintechnik verwendet werden, Messebauer, die Geschäfte mit Hygienewänden ausstatten.  

Agilität ist demnach nicht nur ein grundlegender Faktor für den Erhalt der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, sondern sichert in manchen Fällen sogar das Überleben eines Unternehmens. Doch natürlich ist ein sich verändernder Markt nur ein Aspekt des Ganzen. Auch die immer schnellere Entwicklung neuer Technologien, die wachsende Vernetzung unserer Wirtschaft und insbesondere die Zunahme der Digitalisierung in allen Bereichen des Lebens macht ein Umdenken erforderlich.

Umprogrammierung des Mindsets von heute auf morgen?

Viele Firmen arbeiten bereits in kleinen Teams und Projekten agil und haben so schon erste positive Erfahrungen gemacht. Dennoch bleibt es ein anspruchsvolles Unterfangen, Agilität auf ein ganzes Unternehmen auszuweiten, denn das stärkste Hindernis oder der größte Motivator auf dem Weg durch die agile Transformation ist das Mindset.

Das Selbstbild und die Denkweise der Mitarbeiter können notwendige Transformationsprozesse positiv oder negativ beeinflussen. Agilität erfordert also die richtige Unternehmenskultur, um ein möglichst dynamisches, agiles Mindset bei allen Beteiligten zu fördern und ein Umfeld zu schaffen, in dem die Mitarbeiter überzeugt sind, ihre Fähigkeiten weiterentwickeln zu können. In dem sie lernen sollen und dürfen, um Dinge besser zu verstehen und in dem Fehler als Möglichkeit gesehen werden, etwas Neues ausprobieren und sich weiterentwickeln zu können.

Um die Agilität in einem Unternehmen zu erhöhen, müssen also zwangsläufig mehrere Bereiche adressiert werden: Organisationsstruktur, Produktentwicklung, Tools und Arbeitsweisen und allem voran die Unternehmenskultur und -werte hin zu einer Unterstützungskultur, in der Transparenz, Teamarbeit und eine offene Kommunikations- und Fehlerkultur vorgelebt und eingefordert wird.

In einem weiterführenden Blogbeitrag untersuchen wir, warum Agilität besonders im Controlling so wichtig ist:

Agiles Controlling kennenlernen

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