Der Sarbanes-Oxley Act und die größten Bilanzskandale der USA

Alexandra Supper, Up to Trends, | 8 min. Lesezeit

Die gefälschten Bilanzen der Wirecard AG erschüttern derzeit nicht nur die Finanzwelt. Die Forderungen nach besseren Kontrollen und mehr Transparenz werden mit jedem Tag lauter. Besonders, da nun auch deren Wirtschaftsprüfer und die BaFin selbst in die Schusslinie geraten sind. Wirecard ist mit seinen 1,9 Milliarden verschwundenen Euros jedoch nicht das erste Unternehmen, das dabei aufgeflogen ist, seine Bilanzen zu fälschen.

Infolge der milliardenschweren Bilanzbetrüge von Enron und WorldCom wurde in den USA 2002 der sogenannte Sarbanes-Oxley Act erlassen. Benannt nach den beiden Senatoren Paul Sarbanes und Paul Oxley, die ihn eingebracht haben. Doch wie kam es eigentlich zu der Einführung dieses umfangreichen Regelwerks, das auch Einfluss auf viele deutsche Unternehmen hat?

Enron und seine schönen Bilanzen

1985 entstand in den USA durch die Fusion zweier Gasunternehmen der Enron-Konzern. Er avancierte in den Folgejahren zu einem der größten Energiekonzerne der Welt. Die Deregulierung des Strommarkts eröffnete Enron bis dahin unbekannte geschäftliche Freiheiten. In der Folge stiegen die Strompreise massiv an und Enron sahnte kräftig ab.

Allein der Erfolg war nicht genug und so begann der Anfang vom Ende: Enron fing an, seine Bilanzen massiv zu schönen. Das Enron-Management kontrollierte Special Purpose Entities, sogenannte Zweckgesellschaften, außerhalb des Konsolidierungskreises und nutzte sie, um den Umsatz aufzublähen und Verbindlichkeiten zu verschleiern.

Methoden der Enron Bilanzfälschung

Mithilfe undurchsichtiger Bewertungsmethoden erfand man bei Enron überhöhte beizulegende Zeitwerte für Vermögensgegenstände in der Bilanz. Man schraubte den Periodenerfolg weiter nach oben, indem Umsätze aus Termingeschäften direkt als Erlöse verbucht wurden, obwohl die Lieferung erst in der Zukunft erfolgte. Ähnliche Aufwände hingegen verbuchte Enron erst zum späteren Zeitpunkt.

Ende 2001 meldete der Konzern Insolvenz an, nachdem bekannt wurde, dass die US-amerikanische Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) ein Untersuchungsverfahren eingeleitet hatte. Die Aktie rauschte in den Keller und der gesamte Börsenwert des Unternehmens war quasi über Nacht vernichtet. Zahlreiche Anleger verloren einen Großteil ihres Vermögens, Banken mussten Millionenbeträge abschreiben.

Auch Pensionsfonds hatten den Energiekonzern im Portfolio; entsprechend einschneidend und tragisch wirkte sich der Zusammenbruch auf die Altersvorsorge ihrer Kunden aus. Über 21.000 Enron-Mitarbeiter verloren ihre Jobs. Die Führungsetage von Enron jedoch kassierte kurz vor der Insolvenz hohe Bonuszahlungen. Kenneth Lay, langjähriger CEO bei Enron, sowie andere Mitglieder des Verwaltungsrats nutzten ihr Insiderwissen und verkauften eigene Enron-Aktien im großen Stil, just bevor der Börsenkurs ins Rutschen geriet.

Die Verantwortlichen aus der Enron-Geschäftsführung wurden in den Folgejahren zu Schadenersatzzahlungen und Haftstrafen verurteilt. Jeffrey Skilling, Enron-CEO im Jahr 2001, verbüßte bis 2019 seine Gefängnisstrafe.

Enron-Wirtschaftsprüfer und die „Optimierung“ der Bilanzen

Enrons Bilanzen wurden 16 Jahre lang von denselben Wirtschaftsprüfern testiert. Für Arthur Andersen, damals eine der Big-Five-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, summierten sich die Umsätze mit Enron für Prüfungs- und Beratungsleistungen auf mehrere Millionen Dollar. Enron war einer ihrer größten Kunden weltweit – von Unabhängigkeit konnte somit keine Rede mehr sein. Mitarbeiter von Arthur Andersen hatten Enron unter Missachtung interner Richtlinien sogar beraten, wie der Konzern mithilfe seiner Offshore-Gesellschaften die Bilanzen „optimieren“ kann.

Obwohl Andersen von einer Enron-Mitarbeiterin Hinweise auf den systematischen Bilanzbetrug erhielt, wurden keine Maßnahmen ergriffen. Zu guter Letzt wurden bei Andersen in aller Eile potenziell belastende Enron-Akten vernichtet. Geholfen hat es nichts: Heute gibt es nur noch die Big Four.

WorldCom – wenn der Aktienkurs zur alleinigen Richtschnur wird

Fast zeitgleich nahm in den USA ein anderer folgenschwerer Börsenskandal seinen Lauf. Der Telekomkonzern WorldCom hatte sich in den späten 90er-Jahren zu einem der stärksten Börsenwerte entwickelt. Als WorldCom im Jahr 2000 einen Zusammenschluss mit dem Mitbewerber Sprint anstrebte, ging der Aktienkurs binnen weniger Monate durch die Decke. Aus dem Merger wurde jedoch nichts und die Kurse begannen zu fallen.

Nachdem Anfang 2002 bekannt wurde, dass die SEC wegen unsauberer Bilanzierungspraktiken und der Vergabe von Firmenkrediten an leitende Angestellte gegen WorldCom ermittelt, rutschte der Aktienkurs gänzlich ab. Im Juli 2002 musste WorldCom Gläubigerschutz beantragen. Anleger verloren 180 Milliarden Dollar, zehntausende Mitarbeiter ihre Jobs. Bald stand fest, dass die von Andersen testierten WorldCom-Zahlen für 2001 falsch waren. Ein bisher beispielloser Bilanzbetrug im Umfang von 11 Milliarden Dollar wurde aufgedeckt. Gewinne waren in großem Stil manipuliert worden, um die Erwartungen der Aktienmärkte zu erfüllen.

Auch WorldCom-Firmenchef Bernard Ebbers und sein Finanzvorstand wurden von US-Gerichten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Ebbers Beteuerungen, er habe die Details von Bilanzierungen nicht verstanden und von dem Betrug durch seine Mitarbeiter nichts gewusst, haben ihm vor Gericht nicht geholfen.

Was ist der Sarbanes-Oxley Act?

Die Skandale um Enron, WorldCom und auch Andersen hatten das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt schwer erschüttert. So kam es 2002 zur Verabschiedung des Sarbanes-Oxley Acts durch den US-Kongress. Ein umfangreiches Regelwerk wurde geschaffen, um Investoren und Gläubiger fortan besser vor vergleichbaren Betrügereien zu schützen. Die zahlreichen Einzelvorschriften des Gesetzes zielen darauf ab, die Finanzberichterstattung der börsennotierten Unternehmen zu verbessern.

Verantwortlichkeiten des Managements und der Wirtschaftsprüfer werden dabei genauer definiert, leistungsfähigere Kontrollen vorgeschrieben und schärfere Sanktionen eingeführt. Der Sarbanes-Oxley Act betrifft alle an den US-Börsen gelisteten Unternehmen sowie Tochtergesellschaften von Unternehmen, deren Anteile dort gehandelt werden.

Der Sarbanes-Oxley Act als Reaktion auf die Bilanzfälschungen

Auch auf eine ganze Reihe deutscher Aktiengesellschaften hat dies erhebliche Auswirkungen. Und wenn uns die aktuellen Geschehnisse – nicht nur um Wirecard – eins gezeigt haben, dann wohl, dass auch deutsche Unternehmen nicht gefeit sind vor dem Willen nach noch mehr Geld und noch mehr Macht. Man wird sich an geeigneter Stelle nun mit der Frage beschäftigen müssen, wie es in einem Rechtsstaat wie dem unsrigen überhaupt zu einem Betrug dieses Ausmaßes kommen konnte.

Wir warten gespannt auf die Antwort. Nicht zuletzt von der BaFin. Die übrigens nach Äußerungen des Bundesfinanzministers Olaf Scholz mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet und zu einer „schlagkräftige Behörde“ aufgebaut werden soll. Ganz nach Vorbild der US-Finanzaufsicht SEC.

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