Die wertvollste Kette der Welt: Über die Blockchain in der Finanzbranche

Juliane Batliner, Up to Trends, | 7 min. Lesezeit

© kugelwolf / fotolia.com

In den letzten Jahren sind uns eine Menge Trends und Zukunftsmelodien begegnet: Globalisierung, Big Data, Industrie 4.0, Internet of Things und nun Blockchain. Diesem Hype zugrunde liegt ein weiteres in den Medien breitgetretenes Wort: Bitcoin. Für viele Menschen ein und dasselbe. Doch wer die Kryptowährung mit der dahinterliegenden Technologie gleichsetzt, liegt nicht nur falsch, sondern tut auch der Blockchain und ihrer Bedeutung unrecht.

Während die extreme Volatilität des Bitcoins zuletzt arg am Image der ältesten und bekanntesten Kryptowährung gekratzt hat, konnte die Blockchain im Gegenzug beweisen, dass sie in der Praxis unter hoher Last funktioniert.

Die Finanzbranche ist in Aufruhr. Was sie umtreibt, könnte auch der Stoff einer griechischen Tragödie sein. Das Dilemma: Ignorieren sie die Blockchain und werden von ihr im schlimmsten aller Szenarios überflüssig gemacht? Oder springen sie mit auf diesen Zug, machen sich die Idee zu eigen und zerstören damit am Ende ihr bisheriges Geschäftsmodell? Eine Frage von Homer‘schem Ausmaß. Denn die übergeordnete Idee der Blockchain macht Banken, Notare und Mittelsmänner überflüssig.

Was die Funktion der Blockchain für gespeicherte Daten bedeutet

Wie das funktioniert? Die Blockchain kann man sich als dezentrale Datenbank vorstellen. In ihr werden Datensätze als eine kontinuierlich erweiterbare Liste, genannt „Blöcke“, gespeichert. Diese Blöcke wiederum sind mittels kryptografischer Verfahren miteinander verkettet. Den Anfang macht der Schöpfungsblock. Alle weiteren Blöcke werden erst überprüft und dann chronologisch angehängt. Die Daten sind gleichzeitig und identisch auf Tausenden von Servern gespeichert und miteinander verknüpft.

Dies ermöglicht eine fälschungssichere Speicherung der Daten. Jeder neue Block ist verbunden mit dem vorhergehenden Block. Er enthält die Historie in Form von dessen Prüfsumme (eine Art Quersumme). Zudem werden alle Daten verschlüsselt gespeichert. Zusammen bedeutet das, dass die Blockchain (effektiv) Korruption und Manipulation verhindern kann. Das gesamte Netz legitimiert sich gegenseitig und wird somit seine eigene „Source of Truth“.

Die Blockchain widerspricht fundamental dem Konzept von unternehmensspezifischen Datenbanken oder auch der Idee der Cloud. Durch den dezentralen Ansatz entzieht sich die Technologie jeglicher staatlichen Kontrolle. Der Transaktionsprozess einer Kryptowährung wie dem Bitcoin liefert ein anschauliches Beispiel, worin die Unterschiede zu den herkömmlichen Verfahren liegen.

Blockchain: Welche Veränderungen bedeutet sie für Transaktionen?

Bei einer klassischen elektronischen Transaktion zwischen zwei Personen werden die Kontostände und Transaktionsdaten sowohl bei der Bank des Senders als auch der Bank des Empfängers gespeichert. In der Praxis nutzen diese Banken häufig sogenannte Transaktionsbanken. Diese führen die eigentlichen Transaktionen aus und speichern dazu ebenfalls die dafür notwendigen Informationen.

Diese redundante Speicherung von Transaktionen führt dazu, dass sich Banken jeweils gegenseitig abgleichen (engl. Reconciliation). So wollen sie die Korrektheit der mehrfachen Buchführung gewährleisten. Gerade im grenzüberschreitenden Verkehr bedeutet dies:

Es kommt regelmäßig zu Abweichungen und Verzögerungen im Ablauf. Durch die mehrfache Speicherung der Daten sind Manipulationen auch einfacher zu bewerkstelligen. Schließlich gibt es mehrere Angriffspunkte.

Bei der Blockchain hingegen erfolgt die Transaktion direkt zwischen den zwei beteiligten Personen: Dazu wird der Blockchain lediglich ein neuer Block hinzugefügt, der die Transaktionsdaten enthält. Das sind:

  • Konto (Wallet) des Senders
  • Konto des Empfängers
  • Betrag

Mittels eines komplexen Verfahrens wird diese Transaktion bestätigt und in der Folge dezentral abgespeichert. Die Informationen zu der Transaktion sind durch das Verfahren fälschungssicher abgelegt. Der wesentlichere Punkt aber ist:

Die Transaktion erfolgt tatsächlich nur zwischen den zwei Parteien. Mittelsmänner wie Hausbanken oder Transaktionsbanken werden in diesem Prozess nicht benötigt. Das bedeutet: Die Blockchain ist durch diesen Ansatz wesentlich effizienter. Und für die am System Beteiligten ist sie kostengünstiger.

Der Ansatz der Blockchain ist jedoch aus einem weiteren Grund radikal: Sofern eine Konto- oder Wallet-Adresse bekannt ist, können alle jemals durchgeführten Transaktionen eingesehen werden. Die Summe aller Transaktionen wiederum ergibt den Kontostand dieses Kontos. Trotz dieser Transparenz ist – zumindest weitestgehend – im System Anonymität gewährleistet. Denn keinePerson kann einsehen, wer hinter einer bestimmten Wallet-Adresse steht.

Bedeutung von Blockchain in der Praxis: Smart Contracts und Co

Aufgrund ihrer Architektur bietet sich die Blockchain für Finanztransaktionen wie bei Kryptowährungen förmlich an. Seit der Bitcoin vor zehn Jahren das Licht der Welt erblickt hat, wurde die Blockchain weiterentwickelt. Neue Funktionen kamen hinzu. Eine zweite Generation dieser Technologie ist die Ethereum-Blockchain. Ethereum-Erfinder Vitalik Buterin sagt in einem Bericht von Capital:

„An dem Tag, als ich mir Bitcoin genauer ansah, verstand ich, dass Zahlungen ohne Mittelsmänner möglich sind.“

Bei manch einem Banker schrillen bei einer solchen Aussage wohl die Alarmglocken.

Mit Ethereum wird erstmals die Möglichkeit bereitgestellt, Verträge in der Blockchain abzulegen. Die Rede ist von sogenannten Smart Contracts. Hieraus ergibt sich ein ganz neues Feld von Anwendungsfällen. Schließlich bedeutet Blockchain auch, dass sie die Funktion einer Vertrauensinstanz zwischen verschiedenen Parteien übernimmt.

Bildlich gesprochen: Zwei Personen wetten auf den Sieger der nächsten Fußballweltmeisterschaft. Der Verlierer schuldet dem Gewinner einen bestimmten Betrag. Dieser Wett-Vertrag wird entsprechend der Wenn-dann-Bedingung umgesetzt und in der Blockchain fälschungssicher abgespeichert. Der digitale Vertrag ruht nun bis zum Finale der Fußballweltmeisterschaft. Er holt sich das Ergebnis, bestimmt aufgrund der vorab definierten Regeln den Sieger und löst die Zahlung des Verlierers automatisch aus.

Auch wenn bei der Umsetzung zum aktuellen Stand noch ein paar technische Hürden zu meistern sind, lässt sich das Potenzial erahnen: Für einfache Verträge müsste es prinzipiell keine Rechtsanwälte oder Notare mehr geben. Denn die Blockchain übernimmt deren Funktion als Vertrauensinstanz. Aufgrund der Rechtslage ist das aktuell natürlich lediglich eine Zukunftsvision.

Die Bedeutung der Blockchain als fälschungssicherer Mittler

Es gibt jedoch viele weitere Anwendungsfälle, bei denen die Blockchain die Rolle eines unbestechlichen, fälschungssicheren Mittlers übernehmen kann: Bei Grundbüchern sichert der Staat durch seine Funktion zu, dass die Information über den Eigentümer von Grund und Boden korrekt gespeichert sind. Aufgrund von Korruption können sich jedoch viele Menschen gerade in Zweite- oder Dritte-Welt-Ländern nicht darauf verlassen, dass ein Eintrag in das Grundbuch den Besitz in alle Zukunft tatsächlich zusichert.

Selbst in Großbritannien ist es üblich, beim Kauf einer Immobilie zusätzlich eine Versicherung abzuschließen. Sie sichert den Fall ab, bei dem eine andere Person Rechtsansprüche auf die gleiche Immobilie geltend macht. Hier bietet die Blockchain die Möglichkeit, die Information so zu dokumentieren, dass weder Korruption noch Umweltschäden eine Manipulation oder Zerstörung ermöglichen. Was sich wie eine Vision anhört, wird in verschiedenen Ländern wie Russland, Indien oder Ghana bereits in Prototypen umgesetzt.

Blockchain bedeutet Finanzspritzen der neuen Art

Im Fahrwasser des Blockchain-Hypes ist ein sehr spannendes Phänomen entstanden: Sogenannte ICOs (Initial Coin Offerings) stellen eine Form der Frühfinanzierung von Blockchain-Unternehmen dar. Dabei erwerben Investoren aus der ganzen Welt sogenannte Tokens einer Firma. Oft hat diese nicht viel mehr als eine Website sowie ein technisches Konzept vorgelegt. Diese Tokens werden nach Abschluss der Fundraising-Kampagne in der Regel an Kryptobörsen handelbar. Sie stellen aber kein Stimmrechtsanteil dar, sogenanntes Equity.

Das bedeutet, dass diese Investitionsform damit hochgradig riskant für Investoren ist. Dennoch hat dieses neue Phänomen das Volumen von klassischer Venture-Capitalist-Finanzierung bereits nach weniger als einem Jahr vom Volumen her deutlich überflügelt. Es ist abzusehen, dass Aufsichtsbehörden in vielen Ländern zunehmend aktiver gegen ICOs vorgehen werden. Und dennoch bleibt das grundlegende Prinzip dank Blockchain-Technologie für die Zukunft bestehen:

Investoren können mit herkömmlicher Währung oder Kryptowährung direkt und ohne dazwischengeschaltete Instanzen in Unternehmen weltweit investieren, an deren Potenzial sie glauben. Diese Möglichkeit ist zukünftig auch für all die 99 Prozent der Unternehmen weltweit bedeutend,

  • die nicht an der Börse gelistet sind und
  • die bei der Kapitalbeschaffung in der Regel auf Eigen- oder Bankfinanzierung angewiesen sind.

„Der Bitcoin-Hype ist vergänglich, was bleibt, ist die dahinterliegende Technologie,“ titulierte und kommentierte der Spiegel Anfang 2018 die Entwicklung.

Bleibt die Frage: Alles Hype oder echte disruptive Technologie? Fakt ist, dass bereits Tausende neu gegründeter Blockchain-Unternehmen ihre Visionen veröffentlicht haben. Sie alle wollen mittels Blockchain-Technologie Prozesse vereinfachen oder Mittelsmänner aus Prozessen herausnehmen.

Einigen Ansätzen wird durchaus großes Potenzial zugeschrieben. Dies auch, obwohl vieles aktuell technisch noch gar nicht gelöst, sondern nur als Vision oder Konzept beschrieben ist. Es stellt sich auch folgende Frage: Wie weit kann die Technologie tatsächlich ihr disruptives Potenzial entfalten, trifft sie doch auf finanzstarke, etablierte Player wie Banken oder Börsen?

Die Blockchain-Technologie kann sowohl öffentlich als auch privat implementiert werden. Vor diesem Hintergrund besteht durchaus die Möglichkeit, dass es in Zukunft einen Mix aus beiden Konzepten geben wird – mit begrenzter Interoperationalität. In diesem Szenario käme der Blockchain dann nicht viel mehr Bedeutung als ein IT-Updates zu.

Blockchain: Wer steckt hinter Mister X?

Ein Name geistert durchs Netz – Satoshi Nakamoto. Er steht für eine Technologie, deren Ausmaß unsere Gesellschaft und Wirtschaftswelt noch nicht komplett begriffen hat. Doch wer ist der Erfinder von Blockchain? Und warum ist es nicht möglich, das Geheimnis um diese Person zu lüften?

Satoshi Nakamoto klingt zunächst nach einem ganz alltäglichen japanischen Namen. Ob hinter der Blockchain-Technologie jedoch ein einzelner Erfinder oder eine ganze Gruppe von einflussreichen Leuten steckt und woher die besagte Person tatsächlich kommt, ist nicht bekannt. Dafür existieren jede Menge Gerüchte darüber, wer der wirkliche Begründer von Blockchain, Bitcoin und Co. sein könnte. Ich bin’s – nicht!

Unzählige Namen – darunter auch bekannte Persönlichkeiten wie der PayPal-Mitbegründer und Geschäftsführer von Tesla, Elon Musk – wurden aufgeführt. Sie wurden später wieder verworfen oder das Gerücht von den Personen selber dementiert. Eine der vielen Personen, die unter großem Medienspektakel von sich selber behaupteten, Mr. Bitcoin zu sein, ist der australische Unternehmer und Informatiker Craig Steven Wright.

Da dies wenig später unter einem nicht geringeren Medienspektakel widerlegt wurde, bleibt das Mysterium um Satoshi Nakamoto weiter ungeklärt. Der Reiz und die Spannung dieser Geschichte bleibt jedoch entfacht.

„Ich werde mich jetzt anderen Dingen widmen“
– Satoshi Nakamoto

Wir wissen über Satoshi Nakamoto, dass er das Bitcoin-Protokoll in einem Whitepaper im November 2008 über eine verschlüsselte E-Mail-Adresse veröffentlicht hat. Anschließend installierte er im Jahr 2009 den ersten Bitcoin-Client. Und er hielt Kontakt zu der Bitcoin-Community. Dabei achtete er penibel darauf, keine persönlichen Details von sich preiszugeben. Als er der Auffassung war, dass Blockchain und Bitcoin nun eigene Wege gehen können, verabschiedete er sich von der öffentlichen Bühne mit den Worten: „Ich werde mich jetzt anderen Dingen widmen.“

Zum Artikel über die Bedeutung der Blockchain in der Finanzbranche

Der Artikel „Die wertvollste Kette der Welt: Über Blockchain und ihre Bedeutung für das Finanzsystem“ erschien erstmals in unserem Kundenmagazin in der Ausgabe 01/2018 in der Rubrik „Spotlight“.

Ausgabe verpasst? Kein Problem! Sie können alle Ausgaben unseres halbjährlich erscheinenden Kundenmagazins „simply intelligent“ ganz einfach online lesen.

JETZT E-MAGAZIN LESEN

Gerne halten wir Sie auch zukünftig – im Magazin oder hier im Blog – auf dem Laufenden – mit Whitepapern, LucaNet-News und sonstigen relevanten Informationen aus der Welt des Rechnungswesens!

Alle Blog Beiträge

Das könnte Sie auch interessieren

lucanet newsletter teaser
LucaNet.News

Erhalten Sie 1x im Monat spannende Insights aus der Finanzwelt sowie Trends und Veranstaltungen rund ums Thema Finance direkt in Ihr Postfach.