Endlich gut? Kennzahleneffekte der Leasingbilanzierung nach IFRS 16

Prof. Dr. Carsten Theile, Simply Finance, | 5 min. Lesezeit

Wie lange braucht ein Produkt, bis es marktreif ist? Kommt drauf an, ist man geneigt zu sagen. Die Komplexität beispielsweise wird sicher eine Rolle spielen. Der International Accounting Standards Board (IASB) hat eine Reform der Leasingbilanzierung im Juli 2006 in sein Arbeitsprogramm aufgenommen. Schon knapp zehn Jahre später, im Januar 2016, hat er dann den finalen Standard IFRS 16 Leasingverhältnisse veröffentlicht.

Noch einmal fast zwei Jahre später, am 31.10.2017, erfolgte die EU-Übernahme mit Veröffentlichung im Amtsblatt vom 09.11.2017. Der Standard schließlich ist anzuwenden auf Geschäftsjahre, die am oder nach dem 01.01.2019 beginnen. Er ersetzt International Accounting Standard 17 (IAS 17) und einige Interpretationen. Wenn also Entwicklungszeit mit Komplexität positiv korreliert, dann scheint IFRS 16 ein ziemlich komplexes Produkt zu sein.

Die Leitlinien des IFRS 16

Dabei sind die Leitlinien des IFRS 16 ziemlich schnell umrissen:

  1. Neuerungen im bilanziellen Umgang mit Leasingverträgen betreffen praktisch nur die Leasingnehmer. Für Leasinggeber ändert sich so gut wie nichts.
  2. Die Hopp-oder-top- (wahlweise auch On-oder-off-) Entscheidung über Leasingverhältnisse beim Leasingnehmer, also die Frage, ob der Vertrag als bilanzwirksamer Finance Lease oder als bilanzunwirksamer Operating Lease einzustufen ist, gehört der Vergangenheit an: Grundsätzlich werden nun alle Leasingverhältnisse beim Leasingnehmer bilanzwirksam.
  3. Ausnahmen von der Bilanzwirksamkeit bestehen bei:
  • kurzfristigen Leasingverhältnissen, sprich eine maximale Laufzeit von einem Jahr und
  • geringwertigen Leasinggegenständen, der IASB nennt hier als grobe Richtline eine Wertgrenze von 5.000 USD.

Grob skizziert kann man also formulieren:

Bisher als Operating Lease eingestufte Leasingverhältnisse werden nach IFRS 16 so behandelt, wie sie unter IAS 17 als Finance Lease behandelt werden mussten. Aktiviert wird allerdings jetzt nicht ein Gegenstand, sondern ein Nutzungsrecht. Bei Erstaufnahme muss ebenfalls eine Leasingverbindlichkeit passiviert werden.

Auswirkungen von IFRS 16

Das dürfte für viele Unternehmen mit bisher nennenswerten Operating-Leasingverhältnissen zu Bilanzverlängerungen führen. Die Bilanzsumme steigt. Mithin sinkt die Eigenkapitalquote. Das mag ein Grund gewesen sein, weshalb die Anwenderpraxis sich so lange gegen den vom IASB schon früh angedachten Paradigmenwechsel gesträubt hat.

Beim genaueren Hinsehen ergeben sich aus der Anwendung von IFRS 16 sogar zahlreiche Vorteile.

Indes sollte man dieses Argument für die Vorbehalte der Anwenderpraxis nicht überstrapazieren: Schon in der Vergangenheit mussten die künftigen Mindestleasingzahlungen aus Operating Leases im Anhang angegeben werden. Finanzanalysten und Ratingagenturen haben oftmals diesen Wert als Vermögen und Schuld hinzugefügt. So wollten sie die Vergleichbarkeit der Abschlüsse verbessern. Unschärfen nahmen sie dabei in Kauf. Denn im Fall einer tatsächlichen Aktivierung oder Passivierung wäre es ja nur um den Barwert der Mindestleasingzahlungen gegangen.

Wer also als Bilanzierender das Verhalten der Finanzanalysten und Rating-Agenturen in sein Kalkül miteinbezieht, der verliert insoweit ein Gegenargument zu IFRS 16. Beim genaueren Hinsehen ergeben sich aus der Anwendung von IFRS 16 sogar zahlreiche Vorteile: Viele für die Finanzanalyse wichtige Kennzahlen verschieben sich im Vergleich zum Operating Lease in eine Richtung, die bilanzierenden Unternehmen gefallen dürfte.

Effekte des IFRS 16 auf die Gewinn- und Verlustrechnung

Schauen wir auf die Gewinn- und Verlustrechnung: Der bisherige Aufwand aus einem Operating Lease findet sich im Posten „Sonstiger betrieblicher Aufwand“. Künftig wird die Leasingzahlung nur im Hinblick auf den Zinseffekt aufwandswirksam – und zwar im Posten Zinsaufwand. Der Großteil der Zahlung wird zur erfolgsneutralen Rückführung der Verbindlichkeit gebraucht. Als Aufwandskomponente hinzu tritt die Abschreibung aus dem Nutzungsrecht.

Damit erhöht sich das EBITDA (Umsatzerlöse: Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization) massiv im Vergleich zum bisherigen Operating Lease.

Auch das EBIT (Earnings Before Interest and Taxes) wird gegenüber bisherigem Recht höher sein.

Lediglich das EBT (Earnings Before Taxes) kann wegen des Frontloading-Effekts aus der Effektivzinsmethode zu Beginn des Leasingverhältnisses niedriger sein als bisher. Dieser Effekt kehrt sich aber im Zeitablauf um.

„Die Kennzahleneffekte dürften sehr im Interesse der nach IFRS bilanzierenden Unternehmen liegen.“

Auswirkungen auf die Kapitalflussrechnung

Werfen wir einen Blick auf die Kapitalflussrechnung. Die Leasingzahlungen waren bisher Auszahlungskomponente im Cashflow aus betrieblicher Tätigkeit. Künftig ist die Tilgungsleistung Bestandteil des Cashflows aus der Finanzierungstätigkeit. Die Zinskomponente ist als Zinsauszahlung auszuweisen und einem der drei Bereiche:

  • betriebliche Tätigkeit,
  • Finanzierungs- oder
  • Investitionstätigkeit

zuzuordnen. Damit wird sich gegenüber dem alten Recht der Cashflow aus betrieblicher Tätigkeit deutlich erhöhen.

Diese Kennzahleneffekte dürften sehr im Interesse der nach IFRS bilanzierenden Unternehmen liegen. Viele weitere, auch abgeleitete Kennzahlen werden sich verbessern. Das ist zum Beispiel bei der EBITDA-Marge der Fall. Bei anderen Kennzahlen ist die Wirkung unbestimmt und hängt vom Einzelfall ab. Hier ist beispielhaft die Gesamtkapitalrentabilität zu nennen. Die Gesamtrentabilität ergibt sich wie folgt: (Jahresergebnis + Zinsaufwand): Bilanzsumme.

Hier erhöht sich der Zähler um den zusätzlichen Zinsaufwand. Andererseits erhöht sich aber auch die Bilanzsumme aufgrund der Bilanzwirksamkeit des Leasingverhältnisses.

Wirkt sich IFRS 16 auch auf den HGB-Abschluss aus?

Hat die neue IFRS-Leasingbilanzierung auch Ausstrahlungswirkung auf den Jahresabschluss nach Handelsgesetzbuch? Kurzfristig vermutlich nicht. Doch die Idee der Aktivierung von Nutzenpotenzialen steht nun im Raum. Sie wird in einem wichtigen Bilanzierungsfeld angewendet.

Verabschieden wir uns nicht auch im Zeitalter von Industrie 4.0 mehr und mehr von herkömmlichen Auffassungen über das, was das Vermögen und die Schulden eines Unternehmens ausmachen? Spielen nicht moderne Vertragsverhältnisse über Risiko- und Chancenverteilungen, über Nutzungsmöglichkeiten und Verpflichtungen eine immer größere Rolle?

Wie weit „atmen“ handelsrechtliche GoB (Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung), um diese Entwicklungen adäquat abzubilden? Man wird es sehen.

Und zum Schluss bitte beachten: Stolperfallen des IFRS 16

IFRS 16 zeigt natürlich auch: „Einfach“ sind die Regeln des Standards nicht abzubilden:
Kündigungsoptionen, Verlängerungsoptionen oder die Abgrenzung zwischen Leasingverhältnissen und reinen Dienstleistungsverträgen sind nur einige zu nennende Stolperfallen in der Anwendung. Und sicherlich entfaltet der Standard auch Wirkung auf das Design von Leasingverträgen.

Softwarelösungen von LucaNet zum sicheren Umgang mit IFRS 16

Sollten Sie weitergehende Fragen zum Thema IFRS 16 und unserer Profi-Software haben, können Sie uns gern schreiben unter ifrs16@lucanet.com.

Mit unserer LucaNet-App werden Sie dazu in die Lage versetzt, sich den Herausforderungen, die IFRS 16 seit dem 01.01.2019 mit sich bringt, problemlos zu stellen. Unsere Berater und unsere Software begleiten Sie dabei, IFRS-compliant zu werden. Umfangreiche Informationen zu IFRS 16, dazu, wer betroffen ist und welche Lösungen wir bieten, haben wir Ihnen auf unserer IFRS 16-Website und in einem Whitepaper zusammengestellt.

Das Whitepaper Bereit für IFRS 16? Der neue Standard zur Leasingsbilanzierung können Sie einfach und kostenlos bei uns anfordern. Gerne präsentieren wir Ihnen auch persönlich die Vorteile der neuen Leasing-App und die neuen Features entsprechend IFRS 16 in einer Live-Demo. Bitte nehmen Sie zu uns Kontakt auf und wir melden uns schnellstmöglich mit einem Terminvorschlag.

IFRS 16-Software

Alle Blog Beiträge

Das könnte Sie auch interessieren

lucanet newsletter teaser
LucaNet.News

Erhalten Sie 1x im Monat spannende Insights aus der Finanzwelt sowie Trends und Veranstaltungen rund ums Thema Finance direkt in Ihr Postfach.