Warum Vielfalt den Erfolg von Unternehmen steigert

Silvia Heredia Minthorne de Kläner, Meet LucaNet, | 7 min. Lesezeit

Für viele Unternehmen ist Diversität noch immer eine Image-Frage. Doch der Nutzen von Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion am Arbeitsplatz spricht für sich – und zwar deutlich. So hat McKinsey 2020 im “Report on Diversity” prognostiziert, dass Unternehmen, die die Vielfalt und Perspektiven ihrer Mitarbeitenden einbeziehen, stärker aus der Pandemiekrise hervorgehen werden als andere. Eine weitere McKinsey-Studie besagt, dass Unternehmen mit besonders geschlechterdiversen Führungsteams mit einer 21 % höheren Wahrscheinlichkeit eine überdurchschnittliche Profitabilität erzielen als Unternehmen, die im unteren Viertel des Branchenstandards für Geschlechtervielfalt liegen (2018 McKinsey Report: “Delivering Through Diversity”).

Auf einem Talentmarkt, der heute heißumkämpfter ist denn je, darf das Thema Vielfalt nicht in den Hintergrund treten. Aber ist Vielfalt allein der Schlüssel zum Erfolg? Nein! Ohne Inklusion wird Vielfalt nicht funktionieren. Denn Inklusion ist die konstruktive und aktive Einbindung aller Arten von Vielfalt innerhalb einer Organisation.

Mit dem grundlegenden Verständnis und dem strategischen Ziel, ein befähigendes, nachhaltiges und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, haben wir uns gefragt: "Wie können wir für unsere Mitarbeitenden, Kund:innen und Partnerunternehmen vielfältiger und inklusiver werden?" Der Ansatz war, ganz am Anfang zu beginnen und uns eine D&I-Spezialistin an unsere Seite zu holen: Olla Jongerius.

Das eigene Potenzial durch gelebte Authentizität voll entwickeln

Zu Ehren des Internationalen Frauentags hat sich unsere Head of People, Organization & Legal, Silvia Heredia Minthorne de Kläner, mit Olla getroffen, um über geschlechtsspezifische Vorurteile am Arbeitsplatz zu sprechen und zu erfahren, wie wir noch heute anfangen können, inklusiver zu werden.

Silvia: Olla, ich freue mich sehr, mit Dir über Diversität, Inklusion und Gleichberechtigung in Unternehmen zu sprechen. Bevor wir jedoch damit loslegen. „Break the Bias”. Das ist das Motto des diesjährigen Internationalen Frauentags. Wenn ich darüber nachdenke, welche Vorurteile mir schon begegnet sind: Angefangen mit meinem nichtdeutschen Nachnamen und Aussehen über Zuschreibungen, dass ich als Working Mom nicht Beruf und Kindern gleichermaßen gerecht werden kann. Kennst Du auch solche Vorurteile?

Olla: Ich habe nie dem typischen Bild des niedlichen kleinen Mädchens entsprochen. Das hat mich früh zur Außenseiterin gemacht. Glücklicherweise war meine Familie sehr modern, deshalb habe ich das gar nicht als „anders sein“ wahrgenommen. Aber im Kindergarten und auch später in der Schule habe ich oft zu hören bekommen: Benimm Dich endlich wie ein Mädchen. Hör auf, so herrisch zu sein. Warum trägst Du keine Kleider?

Mir wurde über viele Jahre hinweg eingetrichtert, dass ich als Frau nur dann erfolgreich sein kann, wenn ich nett und hübsch bin. Gegen solche „Disney-Klischees“ habe ich allerdings schon mit 6 rebelliert. Und trotzdem habe ich in den ersten Jahren meines Berufslebens in der Tech-Branche versucht, möglichst nicht unter meinen Kolleg:innen aufzufallen. Nur waren das mehr oder weniger durchweg weiße Männer um die 40. Also habe ich mir die Haare hochgesteckt und Hosenanzüge in gedeckten Farben gekauft. Bis ich mich eines Tages gefragt habe: warum eigentlich? Warum kann ich als junge Frau nicht mindestens genauso gut wie meine männlichen Kollegen sein und trotzdem bunte Kleider tragen? Da habe ich aufgehört so zu tun, als wäre ich jemand, der ich gar nicht bin.

Silvia: Absolut! Wir alle können unser volles Potenzial nur dann einbringen, wenn wir wirklich wir selbst sein können und uns als “authentisches Ich” auch im beruflichen Kontext angenommen fühlen. Für mich ist es z. B. völlig klar, dass ich nicht trotz, sondern gerade wegen meiner drei Kinder in einer Führungsposition bin. Denn ich bringe damit Erfahrungen und Sichtweisen bei LucaNet ein, die sonst vielleicht fehlen würden. Und genau darum soll es heute vor allem gehen: Die Chancen und Vorteile von Diversität.

Glaubst Du, dass jeder verstanden hat, was Vielfalt bedeutet und warum sie so wichtig ist? Z. B. für den Erfolg eines Unternehmens?

Vielfalt braucht gesteuerte Inklusion

Olla: Vor allem in Deutschland hat die Bewegung Black Lives Matter dem Thema Diversity, Inclusion & Equity einen zusätzlichen Schub gegeben. Plötzlich dachten Führungskräfte: Okay, wir brauchen mehr People of Color, wir brauchen mehr Frauen im Unternehmen. Oder es wird zur Marketing-Sache erklärt. Hey, lasst uns Schwarze Menschen auf unserer Website abbilden. Oder: Hey, wir behandeln Diversity wie Weihnachten. Im Februar ist der Black History Month, im März sprechen wir über Frauen, im Juni über LGBTQIA+. Und am 1. Juli ist wieder daily Business. Aber – die Einbeziehung von Vielfalt ist nicht saisonal. Und sie funktioniert nicht ohne gesteuerte Inklusion – sie kann sogar nach hinten losgehen. Denn Minderheiten und historisch unterrepräsentierte Gruppen kündigen, wenn sie kein integratives Umfeld vorfinden, in dem sie sich akzeptiert fühlen.

Und letztlich geht es natürlich nicht nur um Nationalitäten. Es geht um unterschiedliche Bildung, unterschiedliche Lebenserfahrungen, unterschiedliche Persönlichkeiten, einfach alles. Wie gut Vielfalt funktioniert, hängt vor allem von der Frage ab, wie inklusiv das Arbeitsumfeld ist. Ohne Inklusion wird Vielfalt niemals funktionieren. Du kannst nicht einfach beschließen: Von jetzt an sind wir divers. Und dann müssen trotzdem alle Mitarbeitende z. B. deutsch denken und handeln. Oder in der Kantine gibt es kein Essen, das mit ihrer Religion vereinbar ist.

Es gibt eine sehr anschauliche Formel von Deloitte: Vielfalt + Inklusion = bessere Geschäftsergebnisse. Denn das bedeutet, verschiedene Perspektiven und Standpunkte zu nutzen. Wenn Du das tust, hast Du Innovation, Kreativität, mehr Engagement, produktivere Teams. Du verstehst auch Deine Kund:innen plötzlich viel besser, weil Du sie in Deinem Unternehmen widerspiegelst.

Diversity ist ein Potenzial, keine Herausforderung

Silvia: Diversity sollte als Potenzial und nicht als Herausforderung gesehen werden. Denn umso vielfältiger und bunter die Menschen in einem Unternehmen, desto größer der innovative Output. Damit einher geht dann auch eine Steigerung der Produktivität. Was verschiedenste Studien und Umfragen auch immer wieder belegen. Aber auch das Image von Unternehmen und das Team-Gefühl werden dadurch gestärkt. Das wiederum führt zu einer größeren Attraktivität als Arbeitgebende und damit zu einer geringeren Fluktuation.

Diversity bedeutet ja aber nicht nur eine Vielfalt an Kulturen, sondern auch von unterschiedlichen Lebenserfahrungen oder Lebensumständen. Du hast bei uns ein Audit durchgeführt und dabei verschiedene Bereiche in Bezug auf Diversity, Inclusion und Equity bewertet. In meiner Position hier bei LucaNet, aber auch als Mutter ganz persönlich, hat mich besonders gefreut, wie gut wir bei den Benefits und den Rahmenbedingungen abgeschnitten haben. Unser Arbeitsmodell bietet sehr flexible Möglichkeiten, die Arbeitszeit einzuteilen oder mobil zu arbeiten. Ich glaube, in Deutschland stehen viele Mütter noch immer vor dem Problem, dass sie gerne in ihren Beruf zurückkehren möchten, das Setting aber einfach nicht passt. Weil es vielleicht Kernarbeitszeiten gibt, der Arbeitsweg sehr weit ist oder Meetings früh am Morgen oder am Abend stattfinden. Das betrifft natürlich nicht nur Menschen mit Kindern, sondern alle. Flexibilität in Bezug auf den Arbeitsort, aber auch die Arbeitszeit ist extrem wichtig, wenn man Beruf und Privatleben unter einen Hut bringen muss.

Aber zurück zu dem Audit, das Du bei uns gemacht hast. Wie bist Du da vorgegangen? Lässt sich das Maß an Vielfalt, Inklusion und Gleichberechtigung tatsächlich bemessen?

Wie sich Diversity & Inclusion messen lässt

Olla: Ja, in der Tat gibt es da verschiedene Instrumente. Ich fange immer mit dem Management an. Auch wenn ich der Meinung bin, dass Vieles von den Mitarbeitenden selbst kommen sollte, muss in der Führungsebene das richtige Mindset da sein. Sonst wird es zu einem „Nice to have“. Es geht dabei um die Messung des Bewusstseins der Führungskräfte, wie sich das Unternehmen positioniert, wie transparent Strukturen und Prozesse sind.

Zur Messung selbst nutze ich ein Modell namens GDIB, Global Diversity and Inclusion Benchmark. Bei LucaNet haben wir sieben Interviews durchgeführt, eins davon mit Eurem Vorstand, mit vier Fokusgruppen gearbeitet und sind 59 Richtlinien, Dokumente und Umfragen durchgegangen. Diese Daten haben wir anhand des GDIB ausgewertet und daraus gemeinsam mit Euch Maßnahmen abgeleitet bzw. entwickelt.

Das ist eine sehr gute und objektive Methode, die Unternehmen auch selbst anwenden können, um herauszufinden, wo ein Unternehmen steht, wo es hin will und wie es am besten da hin kommt. Aber natürlich braucht es Mut, Ehrlichkeit und letztlich sehr viele Daten, um ein belastbares Ergebnis zu bekommen.

So gelingt die Inklusion

Silvia: Wir haben schon vor der Zusammenarbeit mit Dir eine Task Force zum Thema Diversity & Inclusion gebildet. Und ich bin wirklich stolz, welche Bereitschaft und Engagement im gesamten Unternehmen vorhanden ist. Aber ich denke auch, dass es wichtig ist, dass das Führungsteam klare Signale sendet und Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion in den Unternehmenswerten verankert. So ist z. B. Englisch schon längere Zeit unsere Corporate Language. Wir haben ein Frauennetzwerk mit regelmäßigen Veranstaltungen und rollen gerade eine gender-neutrale Sprache aus.

Welche weiteren konkreten Tipps hast Du, um das Arbeitsumfeld D&I-freundlicher zu gestalten?

Olla: Auf Organisationsebene gibt es eine wirklich ganz einfache Sache, die jeder machen kann. Zelebriert nicht nur Weihnachten, denkt auch an Chanukka oder das orthodoxe Weihnachtfest. Denkt an das chinesische Neujahrsfest. Denn wenn Du ein Unternehmen mit verschiedenen Kulturen und unterschiedlichen religiösen Hintergründen bist, fühlen sich Menschen, die kein katholisches Weihnachten feiern, ausgeschlossen. Auf der anderen Seite fördert es auch ein Bewusstsein für andere Bräuche und weckt vielleicht die Neugierde der Mitarbeitenden.

Du hast es eben schon angesprochen: Achtet auf eine inklusive Sprache. Sowohl in der internen als auch externen Kommunikation. Das ist natürlich mit mehr Aufwand verbunden, weil erstmal evaluiert werden muss, wie kommuniziert wird und welche Begriffe verwendet werden. Drücken wir uns gender-neutral aus, berücksichtigten wir alle Geschlechter, sind wir respektvoll anderen Ethnien gegenüber?

Und last, but not least empfehle ich, ein Code of Conduct zu erstellen. Sodass alle Mitarbeitenden ein klares Bild davon haben, welche Werte und Richtlinien das Unternehmen vertritt. Diskriminierung kann so verhindert und ein respektvoller Umgang gefördert werden. Alle Menschen im Unternehmen sollten im Einklang mit der Unternehmenskultur handeln – auch wenn sie aus verschiedenen Kulturen oder Umfeldern stammen und unterschiedliche persönliche Wertvorstellungen haben. So wird Diversität hoffentlich sehr bald zum Status quo. 

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Olla Jongerius

Olla Jongerius - in Russland geboren, in Neuseeland aufgewachsen, in Spanien und Deutschland ausgebildet, mit Arbeitserfahrungen in Südkorea, Australien, Estland, Frankreich, Deutschland, Russland und Neuseeland - ist eine hoch motivierte, kreative und positiv denkende Expertin für Diversity & Inclusion und Gründerin der Diversity & Inclusion Consultancy BeamReach. Sie ist außerdem als Gastdozentin für die Themen Diversity & Inclusion, Community Building und Communication Across Cultures an der ESMT Business School, der GISMA und der SRH University tätig.

Ihr Anliegen ist es, Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu schaffen und all denen, die normalerweise keine Stimme haben, eine sichere Umgebung zu geben und schwierige Situationen zu entspannen. Sie unterstützt Unternehmen mit Sensibilisierungs-Workshops, Organisationsbewertungen, entwickelt Strategien und berät zu inklusiver Kommunikation und Verhalten. Sie arbeitet mit kleinen Start-ups, großen Unternehmen, NGOs und gemeinnützigen Organisationen zusammen.

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