Weltfrauentag 2021 – ist die neue Frauenquote der Startschuss für eine echte Chancengleichheit?

Juliane Batliner, Meet LucaNet, | 7 min. Lesezeit

Es gibt viele Themen, über die es sich am Weltfrauentag zu diskutieren lohnt. #ChooseToChallenge ist das Motto des diesjährigen International Women's Day. Und 100 Jahre nach dem ersten IWD stehen wir noch immer vor der Challenge, dass Chancengleichheit nichts Selbstverständliches ist und Frauen noch immer dafür kämpfen müssen. Auch in Deutschland.

Wir haben mit unseren Kolleginnen Sandy Pötzsch, Consultant im Team Customer Relationship, Astrid Kleinau-Kleffe Projektmanagerin im Tech-Bereich, Sarah Geiger, Managerin im Sales, Strategy and Operations, Silvia Heredia Minthorne de Kläner, Head of People, Organization and Legal und Elena Aubell, COO bei LucaNet, darüber gesprochen, was Chancengleichheit für sie bedeutet und was sich bei uns ändern muss, damit wirklich von gleichen Chancen für alle gesprochen werden kann. Und ob die Einführung der Frauenquote in den Chefetagen der großen Unternehmen der richtige Ansatz ist. Etwas, das bei LucaNet übrigens auch ohne Gesetzesregelung gut funktioniert: Seit 01.01.2021 ist mit Elena Aubell eine Frau „an Board“.

Seit 1921 ist der 8. März offiziell der Weltfrauentag. Er steht für Gleichberechtigung und für den Kampf gegen Vorurteile. Was bedeutet dieser Tag für euch?

Sarah: Ich finde es gut, dass man zumindest an diesem Tag auf die noch immer bestehende Kluft zwischen Männern und Frauen aufmerksam macht. Auch in Hinblick auf die Chancen am Arbeitsmarkt. Das mag in Deutschland vielleicht kein so gravierendes Problem sein – wir haben seit 16 Jahren eine Bundeskanzlerin und Männer und Frauen haben offiziell die gleichen Rechte und auch den gleichen Zugang zu Bildung. Aber selbst hier gibt es immer noch Unterschiede, wenn wir genauer hinschauen. So gibt es Statistiken, die zeigen, dass nur zwölf Prozent aller Vorstandsmitglieder in den deutschen DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen weiblich sind. Und auch eine Ebene darunter sind nur knapp 30 Prozent der Führungskräfte Frauen. Da liegt Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern leider unter dem Durchschnitt. Und auch das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist bei uns noch sehr groß. Von daher: Ja, der Weltfrauentag hat eine große Bedeutung. Gleichzeitig denke ich, dass es natürlich nicht ausreicht, nur die Ungleichheit der Geschlechter und die Diskriminierung von Frauen anzusprechen. Es gibt noch viele Arten von Diskriminierung, die wir angehen müssen.

Elena: Ich kann sagen, dass ich selbst noch nie aufgrund meines Geschlechts, Herkunft oder Bildung diskriminiert wurde. Dazu muss ich anführen, dass ich als Kind aus Russland emigriert bin und kein Abitur habe. Aber der Tag hat natürlich eine wichtige globale Bedeutung, weil noch immer so viele Mädchen und Frauen in bestimmte Rollenbilder gepresst, misshandelt, und benachteiligt werden. Deshalb unterstütze ich ihn gerne, auch wenn ich es persönlich sehr traurig finde, dass wir im Jahr 2021 immer noch darüber sprechen müssen, dass ein großer Teil der Weltbevölkerung, nämlich Frauen, gleichberechtigt oder gut behandelt werden müssen. Lasst uns weiter Vorurteile und Ungerechtigkeit challengen. Let's talk equality!

Programmieren war mal ein typischer Frauenberuf

Aktuelle Zahlen belegen, dass nur 20 Prozent der IT-Studierenden weiblich sind. Astrid, du bist schon lange in der IT-Branche tätig und hast so manche Erfahrung im Umgang mit Frauen in diesem Berufsfeld gemacht. Wie viel hat sich in den letzten Jahren verändert? 

Astrid: Da hat sich schon einiges getan – auch wenn wir noch lange nicht am Ziel sind. Bei den Zahlen ist noch viel Luft nach oben: Ich habe gelesen, dass 2020 der Frauenanteil in der IT-Branche in Deutschland bei 16 Prozent lag. Aber ich glaube, im Bewusstsein der Gesellschaft hat sich schon einiges getan. Ich habe da ein schönes Beispiel aus den 90er Jahren: Damals habe ich als technische Leiterin in einem IT-Schulungszentrum für Frauen gearbeitet. In dieser Funktion habe ich ein Angebot von einer Netzwerkfirma eingeholt. Aber das Angebot, das ich von denen bekam, entsprach in keinster Weise den Spezifikationen, die ich angegeben hatte. Also habe ich zum Telefon gegriffen und nachgefragt. Ich konnte förmlich hören, wie der Mann am anderen Ende der Leitung zunächst dachte: „Ach, das ist eine Frau, die hat doch eh keine Ahnung, der kann ich sonst was erzählen!“ Aber am Ende des Gesprächs hat er mir einen Job angeboten (lacht)!

Was den jungen Mädchen fehlt sind weiblicher Vorbilder, an denen sie sich orientieren können. Mehr Frauen wie Aya Jaff. Dabei war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Programmieren sogar ein typischer Frauenberuf. Deshalb freue ich mich, in einem Unternehmen wie LucaNet zu arbeiten, wo wir mit 22 Prozent Frauenanteil im Tech-Bereich sogar über dem bundesweiten Durchschnitt liegen.

Silvia: Und wir würden auch gerne noch mehr Frauen einstellen, doch leider ist es so, dass sich wirklich kaum Frauen auf unsere Stellen in der Produktentwicklung oder IT bewerben. Doch dazu später mehr. Aber auch ich stelle definitiv eine positive Veränderung in Bezug auf das Bewusstsein für das Thema fest.

Für mich ist Chancengleichheit auch sehr eng mit meiner persönlichen Situation als dreifache Mutter verbunden. Es gab immer wieder Momente in meinem Berufsleben, in denen man mir weniger zugetraut hat oder von vornerein davon ausgegangen ist, dass ich weniger leisten kann. Weil mir unterstellt wurde, dass mein Fokus woanders liegt. Und das widerlegen zu müssen, ist ziemlich ermüdend. Ich wünsche mir sehr, dass meine Töchter diese Erfahrung nicht mehr machen müssen.

Es sollte um die Qualifikation gehen, nicht um die Quote

Freiwilligkeit hat nichts gebracht. Nun sind börsennotierte Unternehmen per Gesetz dazu verpflichtet, in Vorständen mit mehr als drei Mitgliedern mindestens eine Frau zu haben. Ist das der richtige Weg zu mehr Chancengleichheit?

Astrid: Eigentlich möchte ich, dass man mich nach meinen Erfahrungen und Fähigkeiten, nach meinem Wissen beurteilt. Und nicht aufgrund einer Quote befördert. Aber wenn uns die Realität zeigt, und das tut sie nun leider, dass es auf einer freiwilligen Basis nicht funktioniert, dann halte ich diese Entscheidung für durchaus sinnvoll. Ich freue mich auf jeden Fall, dass wir bei LucaNet eine Frau im Vorstand haben – ganz freiwillig! Ich hoffe, Elena fühlt sich dort wohl.

Elena: (lacht) Danke, ja, das tue ich definitiv! Um ehrlich zu sein, bin ich auch ein bisschen zwiegespalten, was das Thema Frauenquote angeht. Ich wiederhole mich, aber es schockiert mich, dass wir, heute in 2021, immer wieder über Chancengleichheit für Frauen, nicht nur im Beruf, sprechen müssen. Im Idealfall sprechen wir doch von Menschen und ihren Fähigkeiten, egal welchen Geschlechts. Auf der einen Seite ist es natürlich gut, dass der Kandidatenpool erweitert wird, aber ich denke, wir müssen aufpassen, dass man durch diesen "Zwang" nicht zusätzliche Ressentiments gegenüber Frauen in Managementpositionen schürt. Insgesamt sehe ich also die Vorteile genauso wie die Nachteile: Mit der Quote kommen wir schneller ans Ziel, aber keine von uns möchte als Quotenfrau abgestempelt werden. Doch wir erleben leider, dass gerade die männerdominierten Großkonzerne die Quote brauchen. Ich habe aber definitiv die Hoffnung, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft ohne sie auskommen.

Frauen müssen lernen, scheitern zu dürfen

Was braucht es, um Chancengleichheit voranzubringen?

Sandy: Unternehmen müssen mehr Frauen einstellen, auch ohne dazu gezwungen zu sein. Sie müssen uns die Chance geben, auch männerdominierte Berufe auszuüben. Aber das bitte bei gleichem Gehalt. Und wir brauchen attraktivere Angebote für Mütter. Wir müssen von diesem festgefahrenen Rollenbild wegkommen, dass Mädchen brav und süß und nett zu sein haben, Jungs dagegen mutig und stark. Das ist etwas, das Kindern schon sehr früh eingeimpft wird und einen großen Einfluss auf unsere Gesellschaft hat.

Sarah: Unbedingt! Ich finde auch, dass Unternehmen die bestehenden Muster durchbrechen müssen und Diversity als einen ihrer wichtigsten Unternehmenswerte aufnehmen und auch leben sollten. Aber es geht ja noch viel tiefer. In der Familienpolitik muss ein Umdenken stattfinden. So hat man zum Beispiel in Schweden in den letzten Jahrzehnten sehr viel liberalere und auch sehr viel familienfreundlichere Gesetze und Vorschriften erlassen. Und das hängt nun wirklich direkt mit der Gleichberechtigung zusammen, die sie heute haben. Und um Sandys Punkt aufzugreifen: Warum sollten wir Jungen anders erziehen als Mädchen? Warum sollten wir ihnen andere Soft Skills beibringen? Auch Mädchen müssen mutig und in der Lage sein, Risiken einzugehen. Ich habe in einer Studie gelesen, dass Frauen sich nur dann für einen Job bewerben, wenn sie die Qualifikationskriterien zu 100 Prozent erfüllen, während Männer sich auch bewerben, wenn sie nur 60 Prozent erfüllen. Einfach, weil sie nicht durchfallen wollen. Männern ist das egal (lacht). Frauen müssen lernen, dass sie scheitern dürfen, dass Scheitern nicht schlimm ist. Sonst kann es passieren, dass eine Frau, die eigentlich die Idealbesetzung für eine bestimmte Position wäre, sich gar nicht erst bewirbt, weil sie glaubt, nicht qualifiziert genug zu sein.

Silvia: Und auch deswegen sehe ich die Frauenquote als Chance, denn bei dem jetzigen Tempo würde es noch weitere 30 Jahre dauern, bis 50 Prozent der Vorstandsposten mit Frauen besetzt sind in Deutschland. Das ist definitiv zu lang! In den 200 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands waren im vergangenen Jahr nur 101 von 878 Vorstandsmitgliedern Frauen. Gleichzeitig wissen wir aber, dass die Hälfte der Studierenden in Deutschland Frauen sind. Es ist statistisch eigentlich nicht möglich, dass wir so wenige Frauen im Vorstand haben, weil sie angeblich nicht gut oder nicht gut genug sind. Am Ende würde auch ich lieber auf die Frauenquote verzichten, aber ich glaube, wir brauchen sie, weil sich die Gesellschaft nicht schnell genug ändert.

Eine echte Chance auf Gleichberechtigung kann es aber auch nur geben, wenn sich die Arbeitswelt verändert. Da hat Corona einiges positiv beeinflusst. Unternehmen erkennen, dass auch im Homeoffice qualitativ hochwertige Arbeit geleistet wird. Übrigens auch eine tolle Chance für Väter, sich Zuhause und in der Erziehung mehr einzubringen! Da sind wir dann gleich beim Thema Aufweichen von Rollenbildern – darüber ließe sich ebenfalls viel sagen, aber vielleicht nicht mehr heute (lacht). Aber, um zum Ende zu kommen: Es ist ungemein wichtig, dass wir Frauen uns Gehör verschaffen. Wenn Männer etwas tun, dann reden sie darüber. Im Unterschied zu vielen Frauen, die nicht viele Worte darüber verlieren, was sie jeden Tag leisten, ob im Job oder in der Care-Arbeit. Daher wollen wir all die großartigen Frauen bei LucaNet und überall auf der Welt noch mal dazu animieren: Redet darüber, was für einen großartigen Job ihr macht, ob als Mutter, Managerin oder Entwicklerin. Seid stolz auf euch!

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