ESG-Berichterstattung: Ein Kommentar zur Nachhaltigkeitspolitik

Prof. Dr. Carsten Theile, ESG, | 3 min. Lesezeit

Meine Fridays-for-Future sozialisierten Kinder tätigen erste Geldanlagen. Dabei soll ich helfen, denn sie billigen mir durchaus einige Kompetenz in der Beantwortung der Frage zu, welche Aktien, Wertpapiere und Fonds denn nachhaltig wären und trotzdem Rendite brächten.

Als Vater will man seine Kinder nicht enttäuschen, und natürlich habe ich als Professor für Rechnungslegung den Anspruch, mich nicht nur auf Analysten zu verlassen. Doch schnell musste ich merken: Bei der Untersuchung von Nachhaltigkeitsberichten bin ich überfordert. Es ist nicht nur die schiere Menge, der jeweilige Umfang, die Unübersichtlichkeit in bunten Bildern und Grafiken – mir fehlen schlicht die Kriterien, anhand derer ich nachhaltiges Tun würdigen könnte. Klar, es gibt diese Meldungen wie die des Autobauers aus Sindelfingen, der in seiner „Factory 56“ durch eine Photovoltaikanlage rund 30 Prozent des Strombedarfs selbst herstellt und Fahrzeugbatterien als Zwischenspeicher nutzt. Das liest sich gut, nur: Wie kann ich das vergleichen mit Produktionsstätten anderer Autobauer, z. B. aus Wolfsburg oder München?

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Darüber hinaus bin ich überzeugt davon, dass solche Investments nicht aus intrinsischer Motivation über Umweltschutzgedanken heraus entstehen. Es geht doch wohl eher um Versorgungssicherheit, vielleicht auch ein Stück weit um das Image, vor allem aber geht es um den Preis: Das Investment wird sich auf Sicht rechnen. Daran ist nichts Verwerfliches, im Gegenteil; ich würde mir nur wünschen, dass ein Unternehmen das auch sagt – ja, dass es das sagen „darf“, ohne gleich stigmatisiert zu werden. Das würde die Beurteilung erleichtern, sodass ich als kritischer Geist nicht jede Erfolgsmeldung gleich dem Verdacht des Greenwashing aussetze.

EU muss Rahmenbedingungen für Fortschritt setzen

Als überzeugter Marktwirtschaftler glaube ich an die Lenkungswirkung von Preisen. Und ich glaube daran, dass „die EU“ oder „der Staat“ Rahmenbedingungen setzen sollte, innerhalb derer sich Fortschritt entfalten kann. Wer politisch beispielsweise das Ziel der Klimaneutralität verkündet, der sollte unbedingt zwei Dinge in die Wege leiten:

1) Die klimaschädliche Nutzung von Ressourcen (Luft, Wasser, Boden) ist zu bepreisen, idealerweise ansteigend. Ein richtig eingesteuerter Zertifikatehandel (Knappheit!) hätte sich da schon lange zu einem sinnvollen Instrument ausbauen lassen.

2) Klimafreundliche Investitionen dürfen nicht länger verhindert werden (Abstandsregelungen für Windkraftanlagen!), und entsprechende Genehmigungsverfahren sind zu beschleunigen (wieso ist es möglich, Flüssiggasterminals in kürzester Zeit bereitzustellen, aber die Genehmigung eines Windparks dauert nicht unter vier oder fünf Jahren?).

Beide Maßnahmen sind dringend erforderlich. Sie würden die Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung sicher stärker unter Beweis stellen als die Entscheidung des EU-Parlaments vom 06.07.2022, auch Atomenergie und Erdgas als „grüne“ Technologien in die noch immer nicht verabschiedete EU-Umwelttaxonomie aufzunehmen.

Ein Jahresabschluss für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Der politische Wille für diese beiden Maßnahmen würde zudem die Sinnhaftigkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich stärken, wobei ich es für übertrieben halte, dass ab 2024 alle großen Kapitalgesellschaften berichtspflichtig werden sollen. Inhaltlich hoffe ich, dass Institutionen wie EFRAG, ISSB oder das DRSC sinnvolle Berichtsformate entwickeln mit eindeutigen Messvorschriften für (wenige) Kennzahlen, die auch zwischenunternehmerische Vergleiche ermöglichen. Außerdem benötigen wir Vorgaben für eine zusammenfassende, klar gegliederte ESG-Berichterstattung auf zwei Seiten (wie Bilanz und GuV) mit einem nicht zu ausufernden „Anhang“ für vertiefende Erläuterungen. Die Entlehnung aus dem Jahresabschluss ist gewollt.

Ich bin überzeugt davon: Dann könnte ich als Vater meine Kinder besser beraten.

Prof. Dr. Carsten Theile

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