Jahresabschluss 2020: Auswirkungen der Corona-Krise

Prof. Dr. Carsten Theile, Corona, | 5 min. Lesezeit

Deutschland erlebt seit einem Jahr einen nie gekannten Digitalisierungsschub. Es fühlt sich so an, als würden wir erst jetzt, mit erheblicher Zeitverzögerung, ins 21. Jahrhundert gebeamt. Wobei, das klingt als Vollzugsmeldung, und so weit sind wir noch nicht. Immerhin aber merken wir allerorten, dass es höchste Zeit wird, den Schritt ins 21. Jahrhundert zu gehen. Homeoffice gesegnete Menschen mit schulpflichtigen Kindern wissen, wovon ich schreibe.

Also erstellen wir auch die Konzern- und Jahresabschlüsse 2020 von zuhause aus. Ich gehe hier mutig davon aus, dass dabei alle datenschutzrechtlichen und vor allem sicherheitstechnisch relevanten Probleme gelöst sind. So kann ich mich ganz auf den Inhalt konzentrieren: Lesen Sie, was coronabedingt in groben Zügen für den Konzern- und Jahresabschluss 2020 zu beachten ist.

Annahme der Unternehmensfortführung

Die gewohnte Bilanzierung nach HGB bzw. IFRS kann nur insoweit fortgesetzt werden, als die Annahme der Unternehmensfortführung aufrechterhalten werden kann. In normalen Zeiten stellt das kein großes Problem dar, aber was ist heutzutage schon normal? Dementsprechend hat die Unternehmensleitung die Going-Concern-Annahme kritisch zu hinterfragen. Ausgehend vom Abschlussstichtag ist ein Beurteilungszeitraum von zwölf Monaten zugrunde zu legen. Alle verfügbaren Informationen sind dabei zu berücksichtigen, negative wie positive.

Für von der Corona-Krise besonders betroffene Unternehmen wichtig: Belastbare Ankündigungen der Bundesregierung bzw. anderer Gebietskörperschaften auf Unterstützungsmaßnahmen können helfen, die Annahme der Unternehmensfortführung beizubehalten. Allerdings: Die pauschale Aussage z.B. eines Ministers, „wir holen die Bazooka“ raus, reicht nicht aus.

Sollte die Annahme der Unternehmensfortführung nicht mehr aufrechterhalten werden können, muss unter Liquidationsgesichtspunkten bilanziert werden. Natürlich ist darüber im Anhang und Lagebericht zu berichten.

Bleiben wir negativ, denken wir positiv und beschäftigen uns mit jenen Unternehmen, die davon ausgehen, Corona zu überstehen.

Gilt das Stetigkeitsgebot für den Jahresabschluss 2020?

Bei bestehenden Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten mag es angezeigt sein, die bisher angewendeten Verfahren zu überdenken. Eine Änderung ist nach HGB nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig. Neben der pauschalen Sprechblase der besseren Vermittlung der VFE-Lage, die ähnlich auch in IFRS-Abschlüssen zur Begründung der Stetigkeitsdurchbrechung trägt, lassen sich mitunter ansprechendere Begründungen finden, etwa die Einleitung von Sanierungsmaßnahmen, die wesentlich veränderte Einschätzung der Unternehmensentwicklung, Veränderungen des Beschäftigungsgrads, Produktionsumstellungen und viele mehr.

Ohnehin kann nach Auffassung des IDW die Pandemie ein zulässiger Grund sein, vom Stetigkeitsgebot abzuweichen, um durch bilanzpolitische Maßnahmen Krisen möglichst zu vermeiden, die ansonsten drohen würden. Auch die Übernahme der steuerlichen degressiven Abschreibung bei Anschaffungen bzw. Herstellungen von Sachanlagen in 2020/2021 in die Handelsbilanz ist problemlos möglich. Freilich kann man unter Inkaufnahme passiver latenter Steuern handelsrechtlich auch bei der linearen Abschreibung bleiben, insbesondere, wenn an Ergebnisverschlechterungen kein Interesse besteht. 

Aktivseite: Abwertungen erforderlich?

Obwohl sich die Bilanzierungsregeln von HGB und IFRS in vielen Details unterscheiden, so haben sie doch ein Ziel gemein: Das auf der Aktivseite auszuweisende Vermögen soll werthaltig sein. Daher sind nach HGB bei dauerhaften Wertminderungen im immateriellen und sächlichen Anlagevermögen außerplanmäßige Abschreibungen erforderlich, etwa bei dauerhaft stillgelegten Anlagen infolge von Produktionsumstellungen. Coronabedingt nur vorübergehend stillgelegte oder eingeschränkt nutzbare Anlagen werden weiterhin planmäßig abgeschrieben, ggf. kommt es zur zusätzlichen außerplanmäßigen Abschreibung. Zu ähnlichen Ergebnissen wird auch der Impairment-Test nach IAS 36 führen. 

Vor allem aber steht im IFRS-Konzernabschluss der Goodwill ganz vorne bei den Überlegungen, außerplanmäßige Abschreibungen vornehmen zu müssen. Einige Großkonzerne sind 2020 schon tätig geworden, andere werden vermutlich folgen, wenn die wirtschaftliche Erholung auf sich warten lässt oder bisherige Geschäftsmodelle weniger zukunftsfest beurteilt werden als früher angenommen. Die nach HGB im Jahresabschluss bilanzierenden Konzernmutterunternehmen haben insoweit auch Abschreibungen auf Beteiligungsbuchwerte zu prüfen.

Sicherlich werden Niederstwertabschreibungen im Umlaufvermögen eine größere Rolle spielen, nicht nur im Hinblick auf die Winterkollektion vieler Textilhändler: Die Nachrichten der letzten Tage über die generelle Konsumzurückhaltung lassen aufhorchen. Auch die Vorratsbewertung im B2B-Bereich verdient hohe Aufmerksamkeit, und da dürfte es zwischen HGB und IFRS kaum Unterschiede geben.

Aufgrund des expected-loss-Modells des IFRS 9 werden demgegenüber Forderungsabschreibungen häufiger zu beobachten sein als im vergleichbaren Fall eines HGB-Bilanzierers. Doch das ist nur ein schwacher Trost, wenn am Ende des Tages der Forderungsausfall eingetreten ist. Immerhin: Bei der Forderungsbewertung sind staatliche Stützungsmaßnahmen, die Schuldnern gewährt werden, zu berücksichtigen.

Passivseite: Insbesondere Rückstellungen

Schwebende Absatz- und Beschaffungsgeschäfte müssen auf ihre Ausgeglichenheitsvermutung von Leistung und Gegenleistung geprüft werden. Dabei sollte berücksichtigt werden, ob der Vertrag sogenannte Material Adverse Effect (MAE)- oder Force Majeure-Klauseln enthält, denen zufolge die Corona-Pandemie als höhere Gewalt eingestuft werden kann, um die vertraglichen Verpflichtungen aussetzen zu können. Andernfalls sind im HGB- und IFRS-Abschluss bei erwarteten Aufwandsüberschüssen Drohverlustrückstellungen unvermeidlich. 

Steuerliche Verlustvorträge: Ökonomischen Vorteil aktivieren?

Steuerliche Verlustvorträge haben einen ökonomischen Wert: Sie mindern die Steuerlast, wenn in künftigen Perioden wieder zu versteuerndes Einkommen erzielt wird. Dieser ökonomische Vorteil ist im Verlustentstehungsjahr nach IFRS als aktive Steuerlatenz anzusetzen; nach HGB besteht diesbezüglich ein Wahlrecht. Ob aber in künftigen Perioden Gewinne erzielt werden, ist eine Prognosefrage, lässt also Beurteilungsspielräume offen.  

Natürlich ist es charmant, das aktuelle Verlustjahr durch den Ansatz einer Aktivlatenz etwas weniger kritisch erscheinen zu lassen. Doch wehe, wenn sich die positive Prognose künftiger Gewinne nicht einstellt: Dann drohen zur misslichen wirtschaftlichen Lage auch noch außerplanmäßige Abschreibungen auf in Vorperioden angesetzte latente Steuern. Vorsicht ist also die Mutter der Porzellankiste! 

Rückblick auf den Abschluss 2019: Keine Sanktionen bei (leicht) verspäteter Offenlegung 

Manche mittelständischen Unternehmen scheuen die Offenlegung ihrer Jahres- und Konzernabschlüsse wie der Teufel das Weihwasser – und reizen die Zzwölf-Monats-Frist voll aus. Sie werden mit Wohlwollen die Nachricht zur Kenntnis nehmen, dass das Bundesamt für Justiz im Benehmen mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) entschieden hat, vor dem 1.3.2021 kein Ordnungsgeldverfahren wegen nicht fristgerechter Einreichung der Abschlüsse 2019 einzuleiten. Mit anderen Worten: Sanktionen drohen erst nach Ablauf einer 14-Monats-Frist. 

Ausblick auf den Konzern- und Jahresabschluss 2021

Kommen wir zurück auf den Digitalisierungsschub: Nach einem politischen Beschluss der Bundeskanzlerin und der Länderchefs soll es 2021 für bestimmte digitale Wirtschaftsgüter die Möglichkeit zur Sofortabschreibung geben. Ziel sei, die "Digitalisierung" zu fördern und die Wirtschaft weiter zu stimulieren. Hard- und Softwarekosten etwa für das Home-Ooffice der Mitarbeiter sollen direkt abgesetzt werden können. Erreicht werden soll dieses Ziel untergesetzlich, also durch ein entsprechendes BMF-Schreiben. Halten Sie Augen und Ohren auf! 

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Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 13. Mär. 2024

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